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AutorenbildBianca Heinicke

Bibi → Bianca | Meine Veränderung

Einleitende Worte


Bis vor zwei Jahren war ich mental noch völlig gefangen in der Welt des Konsums und der damit einhergehenden Konsumgesellschaft. Zu dieser Zeit gab es Momente, in denen ich wie besessen davon war, mehr haben zu wollen. Mehr Luxusartikel, mehr Statussymbole, mehr Geld. Auch die Fragen, die mich im Alltag beschäftigten, drehten sich zeitweise fast ausschließlich um das Thema Konsum. Was kann ich mir als nächstes kaufen? Was brauche ich noch? Was fehlt mir noch, um mein Leben noch luxuriöser und einfacher zu gestalten? Wie kann ich sicherstellen, dass ich auch ja keinen neuen Trend, keine neue technologische Entwicklung verpasse?


Wenn ich heute darüber nachdenke, kann ich gar nicht so genau sagen, warum ich mich ab

einem bestimmten Zeitpunkt in diese Richtung entwickelt habe. Häufig versuche ich, mich an meine Kindheit und Jugend zu erinnern und dort mögliche Ursachen dafür zu finden, dass das Thema Konsum irgendwann eine immer größer werdende Rolle in meinem Leben eingenommen hat. Ich erinnere mich noch gut daran, dass ich es bereits in meiner Kindheit und frühen Jugend liebte, aktiv zu sein, neue Dinge auszuprobieren und mich kreativ auszuleben. Gleichzeitig nutzte ich meine Kreativität und meinen Tatendrang aber schon früh, um damit Geld zu verdienen. Mal war es der eigene Eisstand, mal der Stand auf dem Flohmarkt und mal die selbstgemachten Karamellbonbons, die ich in der Nachbarschaft verkaufte. Das Kernmotiv war dabei schon immer mein Wunsch danach, mir selbst und unabhängig etwas zu erarbeiten. Ich denke, dass ich diesen Wunsch und den damit einhergehenden Ehrgeiz schon immer irgendwo in mir hatte. Auch in meiner Jugend gab es viele Momente, die dafür sprechen. Mit 17 Jahren habe ich zum Beispiel überall im Ort leere Pfandflaschen gesammelt, die andere Menschen einfach in den Müll oder auf die Straße geworfen hatten, um diese beim Einkaufen abgeben zu können. Klar, immerhin konnte ich so hier und da ein paar Cent sparen. Und für mich war schon immer jeder Cent wertvoll. Wann immer sich die Möglichkeit geboten hat, Geld zu sparen oder wirtschaftlich schlaue Entscheidungen zu treffen, habe ich versucht, diese Möglichkeit zu nutzen. Das zeigte sich auch ein paar Jahre später, als mein damaliger Partner, der heute mein Ex-Mann ist, und ich vor der Entscheidung standen, wie wir uns unser gemeinsames Leben vorstellten. Uns war schnell klar: Auf gar keinen Fall wollten wir viel Geld in Miete verlieren. Ein eigenes Haus – oder eine eigene Wohnung – sollte es sein, damit wir finanziell weiter unabhängig sein würden.


Doch warum erzähle ich all das? Tatsächlich wurde mir erst, als ich intensiver darüber

nachgedacht habe, bewusst, was für eine große Rolle die Themen Geld und Konsum schon immer in meinem Leben gespielt haben. Schon mit 14 habe ich einen Nebenjob nach dem anderen angenommen und war fest entschlossen, schnellstmöglich eine selbstständige Tätigkeit zu finden, mit der ich mir neben Schule und Studium etwas aufbauen könnte. Und im besten Fall, so dachte ich schon damals, würde diese so gut laufen, dass ich erst gar nicht in ein Angestelltenverhältnis bei irgendeiner Firma geraten und für irgendwen anders arbeiten müsste als mich selbst. Obwohl diese Gedanken vorrangig meinem jugendlichen Leichtsinn und der Rebellion, die ich damals an den Tag legte, entstammten, waren sie irgendwann so fest in mir verankert, dass ich bereit war, alles in meiner Macht Stehende zu tun, um mir meinen Traum von der Selbstständigkeit zu erfüllen. Ich möchte an dieser Stelle gar nicht alles erwähnen, was ich ausprobierte, um Geld zu verdienen und meinem Traum ein Stück näher zu kommen. Doch eins werdet ihr wissen: Ich bin irgendwann bei YouTube gelandet. Und das sollte mein Leben schlagartig verändern. Keine drei Monate, nachdem ich mein erstes Video hochgeladen hatte, ging die erste Überweisung von über 1.000€ auf meinem Konto ein. Ich konnte es nicht glauben. Vor meinem geistigen Auge erschienen all die Möglichkeiten, die sich mir nun bieten würden. Der Bann hatte mich gepackt.


2024, knapp 10 Jahre später


Nach dem Veröffentlichen meiner ersten Blogbeiträge, unter denen das Kommentieren noch für Gäste möglich war, habe ich sehr viel Zeit damit verbracht, mir Kommentare unter den jeweiligen Posts durchzulesen. Dabei bin ich natürlich auch auf sehr viel negatives Feedback gestoßen. Eine Tendenz, die ich darin vernehmen konnte, war ein relativ großes Unverständnis in Bezug auf meinen Sinneswandel. Die Menschen wollten eine Erklärung dafür haben, warum ich meine Einstellungen zu so vielen Dingen verändert hatte. Sie wollten wissen, welche Gefühle und Gedanken dazu geführt hatten, dass ich nun anders auf die Themen Geld, Glück und Konsum blickte. Sie wollten erfahren, was in meinem Leben – und vor allen in mir - passiert war, um mich zum Umdenken zu bewegen.


Natürlich habe ich mich seitdem sehr intensiv mit dem negativen Feedback, das mir seit meinem Comeback entgegengebracht wurde, auseinandergesetzt. Ich habe lange darüber nachgedacht, was die Menschen zu ihrer Kritik bewogen hat und warum sie die Dinge so sahen, wie sie sie sahen. Meines Erachtens hatte ich nämlich bereits viele der vermeintlich noch offenen Fragen beantwortet, als ich am 01.01.2024 meinen ersten Beitrag auf Instagram veröffentlichte und diesen später auch hier, auf meinem Blog, als Beitrag online stellte ( 01.01.24 ). Dass ich das damals so empfand, lag vor allem daran, dass es für mich nicht diesen einen, einschlagenden Moment gegeben hatte, den ich als zentralen Auslöser meiner Veränderung hätte benennen können. Meine Veränderung war keine kurzfristige Entscheidung, sondern das Resultat eines langen Prozesses, den ich heute gerne als Reise beschreibe. Im Rahmen dieser Reise, auf die ich mich mit dem Beginn meiner Auszeit begeben habe, habe ich mich intensiv damit beschäftigt, was es wirklich bedeutet, das Beste aus mir und meinem Leben rauszuholen und das glücklichste und erfüllteste Leben zu führen. Natürlich habe ich mich dabei auch intensiv mit mir selbst beschäftigt. Das tue ich noch heute. Noch immer versuche ich, mich, meinen Körper und dessen wahnsinnigen Fähigkeiten besser zu verstehen und durch eine intensive Auseinandersetzung mit mir selbst und meiner Seele zu begreifen, was – und vor allem wer – ich eigentlich bin. Und ich bin fest davon überzeugt, dass diese Reise noch lange nicht beendet ist.


Obwohl ich noch immer der Meinung bin, dass sich meine Veränderung nicht auf ein

zentrales Erlebnis oder irgendein konkretes Gespräch herunterbrechen lässt, habe ich heute Verständnis dafür, dass viele Menschen sich zum Zeitpunkt meines Comebacks etwas tiefere Einblicke in mein Innenleben gewünscht hätten. Ich hatte schon immer den Anspruch, möglichst offen und ehrlich mit euch umzugehen und möchte weiterhin versuchen, diesem Anspruch gerecht zu werden. Aus diesem Grund möchte ich euch an dieser Stelle die Möglichkeit geben, einen etwas tieferen Einblick in meine Gefühlswelt zu erhalten. Ich habe schon vor langer Zeit damit angefangen, meine Gedanken und Emotionen auf verschiedene Arten und Weisen zu Papier zu bringen. Das hat mir dabei geholfen, sie besser sortieren und verarbeiten zu können. In den meisten Fällen gingen die Texte, die ich geschrieben habe, irgendwann verloren oder blieben ungeöffnet auf der Festplatte meines Laptops. Doch manchmal habe ich auch etwas längere Texte geschrieben, die ich dann in einem extra dafür angelegten Ordner abspeicherte. Ich habe damals noch nicht den Plan verfolgt, irgendwann

mal einen Blog zu schreiben, doch irgendwas in mir scheint wohl gespürt zu haben, dass ich diese Texte, die ich persönlich als unheimlich wertvoll empfand, irgendwann noch einmal gebrauchen könnte. Bei dem Text, den ich euch im nächsten Unterkapitel dieses Blogbeitrags präsentieren möchte, handelt es sich um genau so einen Text. Ich habe ihn ursprünglich im Frühjahr 2023 geschrieben und möchte dazu sagen, dass ich ihn damals aus tiefstem Herzen verfasst habe. Die Gedanken, die darin enthalten sind, könnten nicht persönlicher und ehrlicher sein und ich würde euch dementsprechend aufrichtig darum bitten, respektvoll und sensibel mit den darin enthaltenen Worten und Gedanken umzugehen. Mir ist bewusst, dass ich mich mit dem Inhalt des Textes sehr angreifbar mache, doch der Mehrwert, den ihr daraus ziehen könnt, ist mir wichtiger. Ich hoffe also, dass die Sätze, die ihr jetzt lesen werdet, zu einem besseren Verständnis meines inneren Wandels führen und vielleicht auch euch dazu inspirieren, eine neue Sichtweise auf bestimmte Bereiche eures Lebens anzunehmen.



Was ist PERFEKT?

Wie der Schein trügt und wie schwer es ist, sich selbst zu finden

(Frühjahr 2023)


Je größer der Abstand wird, den ich zu meinem alten Leben in der Welt der sozialen Medien erlange, desto klarer wird mir, wie unfassbar gefährlich diese Welt ist. Sicherlich werden mir die meisten Menschen, die schon einmal Teil dieser Welt waren, in diesem Punkt zustimmen und die zahlreichen Phänomene aufzählen, die diese Welt so gefährlich machen, wie sie ist. Bodyshaming, Cybermobbing, Doomscrolling – die Liste ist lang. Mir liegt aber besonders ein Punkt am Herzen: das unglaubliche Konkurrenzdenken und der immense Erfolgsdruck, mit dem Menschen auf Social Media schon in jungen Jahren in Berührung kommen. Denn auf Social Media will jeder dazugehören. Jeder will so aussehen, wie es das aktuelle Schönheitsideal vorschreibt und jeder hegt den Anspruch, sich ausschließlich von seiner besten Seite zu präsentieren. Wenn man sich dafür verstellen muss, dann ist das eben so. Denn auf Social Media besteht immer die Erwartung, besser als jemand anderes zu sein – selbst, wenn das nur man selbst ist. Wer einmal Teil dieser Welt ist, hat es schwer, ihr jemals wieder zu entfliehen. Auch ich bin durch meinen plötzlichen Erfolg auf Social Media in eine Spirale gerutscht, deren Wände so steil und rutschig waren, dass es mir nicht mehr möglich war, wieder aus ihr auszusteigen. Das lag zum einen an der Entwicklung der Branche, sicherlich aber auch an der Infrastruktur, die sich mit dir Zeit um mich herum aufgebaut

hatte. Ab einem gewissen Punkt trug ich nämlich nicht mehr nur die Verantwortung für meinen eigenen Lebensstandard, sondern musste darüber hinaus Manager, Dienstleister und Geschäftspartner berücksichtigen, die sich darauf verließen, dass mein Geschäft weiterlief. In Kombination sorgte all das dafür, dass es für mich nur noch eine Blickrichtung gab: nach vorne. Alles, was mir eine andere Blickrichtung ermöglicht hätte, kam mir so dunkel und beängstigend vor, dass ich es wie automatisch ausblendete.


 

Möglichkeitsraum. Dieses Wort stammt aus einem meiner absoluten Lieblingsbücher, Anders

Sehen von Lotto Beau, der es verwendet, um die Muster neuronaler Aktivität zu beschreiben, die aufgrund der Struktur unseres jeweiligen Netzwerks möglich sind. Mit anderen Worten: Unser Möglichkeitsraum enthält all die Wahrnehmungen, Vorstellungen und Handlungen, die für uns zu einem bestimmten Zeitpunkt möglich sind. Ich benutze das Wort gerne, wenn ich versuche, den Zustand zu beschreiben, in dem ich mich während meiner Hochphase in der Social-Media-Welt befunden habe. In dieser Phase und in der Umgebung, in der ich mich damals befand, lag es nämlich nicht in meinem Möglichkeitsraum, zu sehen, dass mein Leben mir nicht gut tat, und nicht so perfekt war, wie es schien. Selbst wenn mal ein Gedanke aufkam, der in diese Richtung ging, hatte ich nie den einen ruhigen Moment, den es gebraucht hätte, um ihn weiterzudenken. Denn das Geschäft rannte Tag und Nacht, pausenlos, und ich versuchte, alles zu eliminieren, was dem irgendwie hätte in die Quere kommen können. Denn als Social-Media-Persönlichkeit hatte ich nicht die Zeit, um mich mit Dingen zu beschäftigen, die mich und mein Geschäft auch nur in irgendeiner Weise hätten ausbremsen können. Die Social-Media-Welt bleibt nämlich nicht stehen und nimmt dementsprechend auch keine Rücksicht auf dich, deine Bedürfnisse und dein persönliches Tempo. Stattdessen vermittelt sie dir den Eindruck, dass jeder Fehltritt dir das Genick brechen könnte. Wenn du das dringende Bedürfnis verspürst, mal auf die STOP- Taste zu drücken, ist das der Social-Media-Welt egal. Es werden trotzdem minütlich Abermillionen von Instagram-Posts hochgeladen. Und wenn du dann mal länger als 24 Stunden keine Story postest, sorgt der Algorithmus dafür, dass du von der Bildfläche deiner Follower verschwindest und Angst hast, sofort vergessen zu werden. Das darf dir natürlich nicht passieren, wenn du dir Erfolg versprichst und weiterhin oben mitspielen willst. Als mich all diese Dinge betrafen, lag es nicht in meinem Möglichkeitsraum, weitsichtig an die Sache ranzugehen und die Entscheidungen zu treffen, die langfristig am besten für mich und meine

mentale Gesundheit sein würden. Ich war gefangen in einer Welt aus Leistungsdruck und Geltungsdrang und tat mein Bestes, um in dieser Welt weiter bestehen zu können. Das bedeutete, dass ich alle Bereiche meines Privatlebens dem Erfolg meines Geschäfts unterordnete. Egal, ob schwere Krankheiten, persönliche Probleme oder die Geburt meines eigenen Kindes – es gab nichts, was mich dazu hätte bringen können, den Erfolg auf Social Media für einen Moment hintenanzustellen. Nach Migräne-Attacken und Müdigkeitsanfällen schmiss ich lieber zwei Schmerztabletten und fünf Kaffees, anstatt mir endlich mal die Auszeiten zu nehmen, die ich so dringend gebraucht hätte. Doch das hätte ich mir damals nie eingestehen können. Für mich war es die Hauptsache, dass ich funktionierte und die Leistung erbringen konnte, die von mir erwartet wurde. Selbst am Tag der Geburt meines Sohnes postete ich noch so lange, bis ich nicht mehr dazu in der Lage war. Keine drei Tage später arbeitete ich dann wieder wie gewohnt weiter. Wieso auch nicht? Immerhin konnte ich ja von der Couch aus arbeiten und musste dafür nicht extra ins Büro fahren...


 

Aus heutiger Sicht sind Worte wie Selbstständigkeit und Homeoffice beinahe toxisch für

meine Seele. Sie stehen für all das, was ich auf mich nahm, um in der Welt der Sozialen Medien weiterhin bestehen zu können. Für mich bedeutete Homeoffice nicht, dass ich entspannt von zuhause arbeiten und danach abschalten konnte. Ich nahm nicht die Arbeit mit nach Hause; mein Zuhause wurde zur Arbeit. In meinem Berufsfeld war das besonders schlimm. Denn ich arbeitete nicht für irgendeine Firma oder irgendein Produkt. Die entscheidende Grundlage meiner Arbeit war mein Leben. Oder zumindest der Teil meines Lebens, den ich damals als den guten Teil meines Lebens verstanden habe. Denn das war es ja, was ich auf Social Media präsentierte. Das ist es, was Social Media von dir verlangt. Du sollst real sein, aber bitte nicht zu real. Bei mir griff dieser Mechanismus. Ich gab mich ihm vollständig hin und trat mein gesamtes Leben öffentlich auf Social Media breit. Wenn ich mal eine schlechte Zeit durchlebte, funktionierte ich im Job und auf Social Media trotzdem. Irgendwann erreichte ich einen Punkt, an dem ich im Grunde kein Privatleben mehr hatte. Denn auch die vermeintlich privaten Momente, die mir noch geblieben waren, teilte ich auf Social Media. Ein schöner Abendspaziergang bei Sonnuntergang am Meer? Sofort zückte ich mein Handy! Schließlich wäre es ja viel zu schade gewesen, wenn der Moment nicht als Post oder in meiner Story online gegangen wäre. Heute frage ich mich, wie privat ein Moment

sein konnte, wenn er gleichzeitig unprivat genug war, dass ich ihn auf Social Media posten konnte.


Die Liste der negativen Emotionen, die mich in diesem Zeitraum begleiteten, ist lang. Ich

hatte Selbstzweifel, verspürte Unzufriedenheit, Unsicherheit und Leistungsdruck. Da ich jedoch nicht die Zeit hatte, mich diesen Emotionen hinzugeben und mich intensiv mit ihnen auseinanderzusetzen, brauchte ich einen Mechanismus, um sie im Keim zu ersticken. Diesen Mechanismus fand ich darin, mich selbst zu belügen. Ich redete mir ein, dass ich glücklich wäre und dass all die Dinge, die ich mir aufgrund meiner finanziellen Voraussetzungen leisten konnte, das waren, was mich tatsächlich glücklich machte. Die Luxusartikel, die teuren Urlaube, das Essen in teuren Restaurants und die zahlreichen Shopping-Touren, die ich veranstaltete, wenn ich denn mal etwas Zeit dafür hatte – für mich waren all diese Dinge eine vermeintliche Entschädigung dafür, dass ich so viele Opfer brachte und mein persönliches Leben quasi vollständig aufgegeben hatte. Sie machten mich zwar nicht wirklich glücklich, doch für den Moment vertuschten sie den schwarzen Nebel, der über meinem Leben lag, und färbten ihn rosarot. Auf diese Weise wurden mein Konsum und meine vermeintliche finanzielle Freiheit zu einer dauerhaften Rechtfertigung für all die Dinge, die ich im Leben versäumte. Ich schlief viel zu wenig, war selbst auf Familienfeiern nie wirklich anwesend und hatte für Hobbies und Interessen sowieso keine Zeit. Dafür schaffte ich es regelmäßig, all meine geplanten YouTube-Videos und Instagram-Kooperationen rechtzeitig zu veröffentlichen, die Shootings für meine Produktlaunches auf die Beine zu stellen und mich anschließend mit einem leckeren Essen im Sternerestaurant oder einer neuen Handtasche dafür zu belohnen. Klar - das hatte ich mir ja immerhin verdient, oder?!


Wenn ich heute auf all das zurückblicke, weiß ich, dass mein Leben im Grunde ein einziges

Paradoxon war. Ich habe versucht, mein Leben, meine privaten Interessen und meine gesamte Persönlichkeit an das Leben anzupassen, das ich führen musste, um weiterhin in meiner Spirale leben zu dürfen. Ich habe versucht, mir meine Freiheit und mein Glück mit Geld zu kaufen. Und das Schlimmste daran: Ich wurde dafür von außen auch noch bewundert. Menschen, die nur den kleinen, verfälschten Prozentsatz meines Lebens mitbekamen, den ich mit der Öffentlichkeit teilte, beneideten mich dafür und nicht wenige hätten ihr eigenes Leben vermutlich sofort für meins eingetauscht. Schließlich hatte ich ja

vermeintlich alles, was man sich im Leben wünschen konnte. Vermutlich hätten die wenigsten dieser Menschen Verständnis dafür gehabt, wenn ich mich damals unzufrieden mit meinem Leben gezeigt hätte. Denn sie wussten ja nicht, wie es hinter den Kulissen aussah. Nicht mal ich selbst wusste das damals wirklich. Erst mit der Zeit merkte ich immer mehr, wie sehr ich mich mit meinem Verhalten selbst belog. Ich hatte irgendwann keine Lust mehr auf Flüge im Privatjet und Shopping-Touren bei Luxusmarken. Natürlich war es – vor allem zu Beginn – das Allerkrasseste, überhaupt Zugang zu all diesen Dingen zu erhalten. Für den Moment fühlte es sich auch an, als würden diese Dinge mich tatsächlich glücklich machen. Allerdings merkte ich schnell, dass diese Dinge nichts waren, was mich langfristig erfüllen würde. Privatjets und Shopping-Touren waren nicht das, was ich damals gebraucht hätte. Was ich gebraucht hätte, war Zeit. Zeit für mich, meine Gedanken und meine Gefühle. Da ich diese Zeit vermeintlich nicht hatte, unterdrückte ich mich weiter selbst. Und das macht jeden Menschen irgendwann krank. Manche halten es nur ein paar Tage aus, manche ein paar Monate, manche zerbrechen erst nach Jahren. Leider gehörte ich zur letzten Sorte und hielt es sehr lange aus, mich selbst zu verleugnen und meine Bedürfnisse weiter zu unterdrücken. Zumindest, bis sowohl mein Körper als auch mein Geist zusammenbrachen und ein für alle Mal den Ausschalter drückten. Mein plötzliches Verschwinden von der Bildfläche war also keine lang durchdachte Entscheidung, die ich nach monatelangem Überleben getroffen habe. Es war vielmehr eine Blitzentscheidung, die mein Körper und mein Geist für mich getroffen haben. Das Einzige, was ich zu diesem Zeitpunkt wusste: Mein Leben würde sich von nun an schlagartig verändern.


Entschuldigung


Heute schäme ich mich dafür, dass ich den Menschen, die mein Leben verfolgt haben, nie die Kehrseite des Erfolgs gezeigt habe. Ich denke, dass ich damit sicherlich einige Menschen davor hätte bewahren können, ebenfalls in die Spirale zu verfallen, in der ich mich selbst so lange befunden habe. Doch wie schon gesagt: zum damaligen Zeitpunkt lag es nicht in meinem Möglichkeitsraum, das zu tun. Ich betrachtete es vielmehr als meine Lebensaufgabe, dieses unermessliche Glück, das ich mir durch eigene Kraft und unglaublich viel Arbeit aufgebaut hatte, unter keinen Umständen untergehen zu lassen. Denn irgendwo wusste ich, dass das Business, in dem ich tätig war, schnelllebig war. Ich wusste, dass ich das Leben, das ich gerade führte, nicht für immer führen könnte. Gepaart mit der Gier, die die

riesigen Summen, die in diesem Business flossen, in mir auslöste, sorgte das dafür, dass ich riesige Angst hatte. Ich hatte riesige Angst vor dem Tag, an dem alles vorbei sein würde. Also setzte ich es mir zum Ziel, jede Möglichkeit am Schopf zu packen, um an dem Tag, an dem alles vorbei sein würde, für den Rest meines Lebens ausgesorgt zu haben. Wenn ich heute ehrlich bin, hatte ich das natürlich schon lange, bevor ich mit allem aufhörte. Doch mein Lebensstandard, mein Ehrgeiz und meine Gier nach mehr erreichten mit jeder Überweisung, die auf meinem Konto einging, größere Sphären. Nach und nach passte ich jeden Bereich meines Lebens wie automatisch an die großartigen Möglichkeiten an, die sich mir boten. Und so wurde alles in meinem Leben größer, exklusiver und teurer. Die Geschäftsideen, die alltäglichen Ausgaben, die privaten Investitionen, die Urlaube, der Konsum, und, und, und...



 


Ich denke, dass dieser Rahmen auch den geeigneten Zeitpunkt darstellt, um auf all jene Kritik

einzugehen, die sich auf mein früheres Verhalten und die Auswahl einiger Kooperationspartner bezieht. Für mich ist es eine unausgesprochene Selbstverständlichkeit, dass ich viele Dinge, die ich im Laufe meiner Karriere getan habe, heute so nicht noch einmal machen würde. Auch kann ich aus heutiger Perspektive viele Dinge, die ich früher gemacht habe, nicht mehr unterstützen und mich auch nicht rechtfertigend vor sie stellen. Mir ist bewusst, dass ich damals einige Entscheidungen getroffen habe, die in dieser Form auf keinen Fall in Ordnung waren. Aus diesem Grund möchte ich mich an dieser Stelle auch offen und ausdrücklich für diese Entscheidungen entschuldigen. Ich möchte mich dafür entschuldigen, dass ich unkritisch Kooperationen mit Partnern wie Shein eingegangen bin. Ich möchte mich dafür entschuldigen, dass ich in Kauf genommen habe, für Marken zu werben, denen vorgeworfen wurde, Kinderarbeit zu unterstützen und Menschen unter menschenunwürdigen Bedingungen zu beschäftigen. Ich möchte mich dafür entschuldigen, dass ich die Hintergründe solcher Marken nicht ausreichend hinterfragt und mich nicht in einem angemessenen Ausmaß mit der Kritik beschäftigt habe, die sich gegen solche Marken richtete. Denn natürlich hatte ich schon damals mitbekommen, dass es diese Kritik gibt. Doch ich habe versucht, sie bestmöglich auszublenden und so gar nicht erst zugelassen, dass sie mir in dem Ausmaß bewusst wird, in dem sie es heute ist. Begriffe wie „Fast Fashion“ kannte ich damals nicht einmal. Heute kenne ich sie. Und heute weiß ich: Es war falsch, sich damals so zu verhalten, wie ich mich verhalten habe. Das kann ich heute so klar sagen, weil der Mensch, der diese Entscheidungen damals unkritisch getroffen und jegliche Warnsignale

ausgeblendet hat, heute nicht mehr existiert. Dieser Mensch bin ich nicht mehr. Doch damals war ich es. Ich war ein riesiges Opfer der Konsumgesellschaft und wie besessen davon, immer mehr erreichen und immer reicher werden zu wollen. Da ich von den Menschen, die mir damals nahestanden, auch noch dafür bewundert wurde und nur selten kritische Gespräche mit mir geführt wurden, ergab sich für mich damals nie die Möglichkeit, meinen gedanklichen Möglichkeitsraum zu erweitern und mein eigenes Verhalten kritisch zu hinterfragen. Doch all das erwähne ich nicht, weil ich mich in irgendeiner Art und Weise rausreden oder für das, was ich getan habe, rechtfertigen möchte. Es gibt keine Rechtfertigung dafür, dass ich in bestimmten Phasen meines Lebens teilweise fatale Entscheidungen getroffen habe. Dass ich trotzdem erzähle, wie es dazu kam, liegt daran, dass ich versuchen möchte, euch meine damaligen Lebensumstände etwas näherzubringen. Ich möchte euch näherbringen, dass ich das, was ich damals nach außen getragen habe, zu diesem Zeitpunkt wirklich selbst gelebt habe. Ich wollte immer mehr und hatte überhaupt kein Bewusstsein dafür, dass es innerhalb der Konsumwelt, in der ich mich befunden habe, schreckliche Missstände gab, die ich mit meinem eigenen Verhalten auch noch begünstigte. Heute ist das glücklicherweise anders. Das wurde mir noch einmal in besonderem Ausmaß bewusst, als ich mich beim Schreiben dieser Texte das erste Mal seit dem Beginn meiner Auszeit wieder in meinem seit mehreren Jahren inaktiven YouTube-Account einloggte. Ich hatte es vorher bewusst vermieden, das zu tun, weil ich wusste, dass ich dort mit all den Eindrücken aus meinem alten Leben konfrontiert werden würde. Das war auch der Grund dafür, warum die Inhalte meines Kanals seit dem Beginn meiner Auszeit unverändert geblieben sind und keine Videos gelöscht oder auf privat gestellt wurden. Als ich mich nun doch dazu durchgerungen habe, mich wieder einzuloggen, hat das bei mir dementsprechend gemischte Gefühle ausgelöst. Zum einen waren da zahlreiche Videos mit meinem Ex-Mann und all die lustigen und bekloppten Challenges, die ich heute nicht mehr machen würde. Wenn ich ehrlich bin, hat es mich schon schockiert, noch einmal vor Augen geführt zu bekommen, wie konsumgetrieben und dekadent allein diese Videos teilweise waren. Dennoch betrachte ich diese Videos als Teil der Entwicklung, die mich zu der Person gemacht hat, die ich heute bin. Deshalb finde ich es bei diesen Videos tatsächlich schön, wenn Menschen sie sich heute noch anschauen und darüber lachen können. Doch neben diesen Videos waren da auch Videos zu den gerade beschriebenen Kooperationen sowie Videos, in denen ich meine Kinder in Titel und Thumbnails integriert habe. Das sind Videos, für die ich

mich heute schäme. Deshalb habe ich beim Durchschauen der Videos die Entscheidung getroffen, mir in den nächsten Tagen und Wochen die Zeit zu nehmen, mich noch intensiver mit den Inhalten auseinanderzusetzen, die noch auf meinem Kanal zu finden sind, und vereinzelte Videos zu löschen. Damit ich all jene Videos, die nicht mit den Werten vereinbar sind, die ich heute verkörpern und nach außen tragen möchte. Mir ist bewusst, dass das bei den hunderten von Videos, die ich im Laufe meiner Karriere hochgeladen habe, keine Sache von drei Tagen ist. Doch der Aufwand ist es mir wert, da ich mich einfach nicht mehr wohl damit fühle, dass unter meinem Namen Videos im Internet zu finden sind, mit denen ich mich heute in keiner Weise mehr identifizieren kann.



 


Ich hätte es lange Zeit für unmöglich gehalten, dass ich mich jemals an dem Punkt in meinem

Leben befinden würde, an dem ich heute bin. Dass ich es jemals schaffen würde, meinen Blick auf mein gesamtes Leben so grundlegend zu verändern. Doch das habe ich – und zwar nur, indem ich mich allem entzogen habe, was mein „altes Leben“ ausgemacht hat. Und tatsächlich bin ich mir sicher, dass sich auch viele von euch bis zu einem gewissen Grad in dem, was ich von diesem „alten Leben“ berichtet habe, wiederfinden werden. Ich weiß, dass all die Dinge, von denen ich erzählt habe, bei mir in einem extremen Ausmaß ausgeprägt waren. Doch ich weiß auch, dass es innerhalb unserer Gesellschaft viele Meschen gibt, die mit ähnlichen Problemen zu kämpfen haben. Dass es viele Menschen gibt, die unter dem ständigen Druck, der von unserer Konsumgesellschaft ausgeht, leiden. Und damit meine ich vor allem Menschen, die ebenfalls direkt oder indirekt Teil der Welt sind, die ich als „Social Media Welt“ beschrieben habe. Ganz egal, ob ihr lediglich konsumiert, selbst Content produziert oder den Traum habt, eines Tages Content zu produzieren: ich bin mir sicher, dass es sich für jeden von uns lohnt, ein bisschen bewusster zu konsumieren und bewusster mit den Dingen umzugehen, die wir konsumieren. Denn nur so können wir sichergehen, dass die Werte, die wir über die sozialen Medien nach außen tragen, keine Werte sind, die uns und die Menschen um uns herum langfristig krank machen. Damit dieser Beitrag nicht noch länger wird, als er eh schon ist, möchte ich mich an diesem Punkt erst einmal bei allen bedanken, die sich die Zeit genommen haben, um diesen Blogbeitrag vollständig zu lesen. Selbstverständlich wird dieser Beitrag nicht der letzte Beitrag auf meinem Blog sein, in dem ich mich damit auseinandersetze, wie sich mein Leben in den letzten Jahren verändert hat und vermutlich auch in Zukunft weiter verändern wird. Wer also Interesse daran hat, ein Teil

dieser Veränderung zu werden, darf sich herzlich dazu eingeladen fühlen, auch in Zukunft wieder auf diesem Blog vorbeizuschauen.


Deine Bianca

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158 commentaires


Angelika Bünger
Angelika Bünger
05 nov.

Liebe Bianca, ich bin heute über einen Zeit-Artikel auf deinen Namen gekommen und dann auf diesen Blog. Welch eine Reise! Toll, dass du diese teilst und so vielleicht viele andere junge Menschen zu mehr Bewusstsein anregst. Wünsche dir von herzen alles Gute für deinen weiteren Weg! Angelika

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Victoria Graf
Victoria Graf
17 oct.

Hallo Liebe Bianca, mir wurde dein Blog von einer Freundin empfohlen & nun bin ich endlich dazu gekommen mir alle Blog Beiträge durchzulesen & finde es faszinierend zu sehen, wie du dich entwickelt hast. Ich freue mich jetzt auf zukünftige Blog Beiträge & würde mich freuen, wenn du die Bücher & Filme teilst, die dich auf diesem Weg zu dir selbst begleitet haben & weiterhin begleiten!

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angelinarichter101
13 oct.

Bianca, es rührt mich so sehr, einen Teil deines neuen, oder vielleicht besser ausgedrückt: deines wahren Selbstes miterleben zu dürfen.

Du bekommst diese Nachrichten sicherlich en masse, aber beim Lesen dieses Beitrags hat mich der Impuls überkommen, dir diese Nachricht schreiben zu wollen.

Ich hab dich damals (so von 10-13¿) verfolgt, bin mittlerweile 20 Jahre alt und durfte in der Zeit viel inneren Wachstum erfahren.

Und jetzt hier zu sehen, dass du so groß gewachsen und so stark geworden bist gibt mir so ein tolles, erfüllendes Gefühl.

Ich möchte dir danken, dass du all dem Hate mit Liebe begegnest, dass du ja zum Leben sagst, und teilst, was es sich zu teilen lohnt!

Ich habe sehr viel Respekt vor all…

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Asim Masim
Asim Masim
09 oct.

Ich finde es schön, wie reflektiert und offen du deine persönliche Reise darlegst. Du schaffst es, den Leser mitzunehmen und ein ehrliches Bild von den Schattenseiten der Social-Media-Welt zu zeichnen. Besonders deine Schilderung über den inneren Wandel und die Selbsterkenntnis sind tiefgründig und regen auch mich zum Nachdenken an.

Allerdings wirft das Angebot deines kostenpflichtigen Podcasts eine Frage bei mir auf. Nach dem langen Weg der inneren Befreiung und des Loslassens von Konsum und Status wirkt dies auf mich, als ob du selbst (erneut) einen monetären Nutzen parallel zum Thema daraus ziehen möchtest. Gerade in einem Artikel, der Konsum kritisch hinterfragt, wirkt dies auf mich widersprüchlich und schmälert die Glaubwürdigkeit deiner Botschaft.

Weiterhin viel Erfolg auf deiner Reise – es…

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Toni F.
Toni F.
07 oct.

Die Frage, die ich mir noch stelle ist: Warum lässt du deine ganzen monitarisierten (Werbe-)Videos noch online? Deine alten Videos propagieren auch heute noch diese krasse Konsumwelt. Indem du die Videos online lässt in denen du von Plastik Schrott Hauls bis Luxuswaren alles präsentiert kurbelst du den Kosum der Mensch weiterhin an. Und dazu läuft für jeden, der die Videos guckt, noch personalisierte Werbung, die auch nochmal zum Kauf anregen soll. Deine ehemalige Community ist bereit dir du verzeihen, denn ja, auch du warst zum Teil auch Opfer der Konsumgesellschaft. Aber du standest ganz weit oben in der Kosumnahrungskette und hast einen großen Teil dazu beigetragen, dass Leid für viele Menschen, Tiere und die Umwelt zu unterstützen. Und laut deinem…

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Dead Six
Dead Six
15 oct.
En réponse à

Du erwartest doch nicht das Bibi auch nur im Ansatz Verantwortung übernimmt oder das auch wirklich ernst meint? Hier werden ja sogar meine Lustigen Sarkastischen Kommentare weg gelöscht weil dahinter eben absolut nur eine Masche steht das ist ein Rebranding für eine neue Art von Kundschaft wo sie die nächsten Kohlen her bekommt.

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